Die Nacht hat es immer wieder geregnet. Unter der Plane warten bereits die Mücken auf mich. Das Abbauen des Zeltes wird zum Wettbewerb: ich gegen die Mücken. Gestern war es noch 2:0 für die Mücken, diesmal gewinne ich, keine Mücke stickt mich. Nach einer Woche geht das Auf- und Abbauen des Zeltes wie geschnürt. In maximal 10 Minuten ist das Zelt auf- bzw. abgebaut, bezugsfertig. Das 2 Mann Zelt ist ganz schön voll: Koffertaschen, Tankrucksack, Kleidersack, Schlafsack, Isomatte, Kochutensilien usw. müssen verstaut werden. Und ich sollte auch noch Platz haben.
Es geht auf schönen Schotterpisten weiter nach Unari und Sodankylä. Bei Sodankylä komme ich wieder auf die Hauptstrasse und fahre Richtung Ivalo. Bis hier ist die Landschaft sehr grün in grün: Wald links und rechts, hinter mir, vor mir, manchmal unterbrochen durch ein wenig Wasser, ansonsten alle möglichen Grüntöne: hohe Bäume, niedere Bäume, Laubbäume, Nadelbäume. Dazwischen die Strasse, die meistens geradeaus verläuft und nur das leichte Auf und Ab etwas Abwechsung bringt. Seit Helsinki habe ich ausser Wald und Wasser nicht viel anderes gesehen. So langsam könnte ich die Landschaft schon ändern. So gern ich Wald und Bäume habe, aber 4 Tage nur Wald ist schon etwas eintönig.

Erst ab Ivalo wird die Landschaft anders. Die Wälder werden lichter, die Bäume keiner und die Seen größer. Das Wetter ist gnädig mit mir, es regnet nur hie und da. Ansonsten lacht die Sonne vom Himmel. Beim Motorrad fahren merkt man, wie das Gemüt vom Wetter abhängt: schönes Wetter, alles perfekt, super Tag. Schlechtes Wetter, so ein Scheiss, wiso tu ich mir das nur an…

Nach Ivalo drehe ich nach Westen ab, auf nach Norwegen! Bei der Grenze Finnland / Norwegen feiere ich den Moment mit einem Rentierburger. Schmeckt lecker, hat etwas von Wild, und gesund ist er sicher auch. Ich plaudere ein wenig mit der Kellnerin und erfahre, dass Finnisch nichts mit den anderen nordischen Sprachen zu tun hat. Es ist eher mit dem Ungarischem verwandt.

Es geht wieder nach Norden, Richtung Nordkapp. Mir kommen fast die Tränen in den Augen, als ich das erste Mal Nordkapp auf einem Verkehrsschild sehe. Noch 300km. Das sollte heute machbar sein. Dunkel wird es nicht mehr, je weiter nördlich ich jetzt fahre um so länger wird der Tag. Über dem Polarkreis wird die Nacht zur Dämmerung. Die Landschaft hat sich geändert: statt Wälder sind nur mehr kleine Bäumchen und Wasser zu sehen. Riesige Gebiete sind nur mehr Weideland, und immer wieder kommt man zu Verladestationen für Rentiere. Ich habe schon etwas gebraucht um zu verstehen was das ist. Ohne LKW schaut es aus wie eine Sprungschanze. Bei einer kurzen Rast in einer alten Goldgräbersiedlung lerne ich einen älteren Herrn aus Lübeck kennen. Er ist alleine mit seinem Camper seit 6 Wochen unterwegs. Manchmal macht er 100km, manchmal auch nur 10km am Tag: er hat ja Zeit. Er fuhr lange Zeit auf See und für eine Beziehung hat die Zeit nicht gereicht. Ich schenke ihm meine baltische Strassenkarte und wir verabschieden uns.

Nach einigen Kilometern komme ich an einem Hügel vorbei, auf der Spitze steht ein Haus. Die Verkehrsschilder weisen auf etwas sehr wichtigen hin, das muss ich mir ansehen. Die 50 Höhenmeter sind schnell geschafft. Oben angekommen hauts mich von den Socken: 3 Skilifte überwinden die 50 Meter, das Haus ist eine Bar im Stile einer Alm. Daneben steht ein Aussichtsturm, von wo aus man einen wahnsinnigen Rundblick auf die Landschaft hat. Erst jetzt erkenne ich die Dimensionen. So weit das Auge nur Wildniss, keine Strassen, kein Haus, nichts. Solche Türme dienten in frühreren Jahren den Landvermessern, um mit trigonometrischen Berechnungen die Landschaft zu vermessen.

Das Wetter ist wechselhaft als ich in Olderfjord ankomme. Immer wieder regnet es und es ist merklich kälter geworden. Olderfjord ist die Ortschaft am Beginn der 100 km langen Halbinsel, auf der das Nordkapp liegt. Im örtlichen Camping Patz miete ich eine Hütte. Andere Reisende haben mir empfohlen, die Unterkunft vorab zu reservieren, denn am Abend kann es schwierig werden, etwas zu finden. Heute brauche ich mal eine warme Unterkunft und eine Dusche, das Zelt ist naß und ich möchte trotzdem noch ans Nordkapp. Die letzten 100 km verlaufen immer der Küste entlang und sind landschaftlich und fahrtechnisch wunderschön, wenn der Seitenwind nicht so stark wehen würde. Ich habe eine ziemliche Schräglage, obwohl ich gerade aus fahre. Durch die Recherchen im Internet weiß ich dass es hier einen 8km langen Tunnel gibt. Er verbindet die Nordkapp Insel mit dem Festland und führt bis 150 Meter unter den Meeresspiegel: 4 km geht’s runter, 4 km wieder rauf. Fertig. Und trotzdem ist es ein Abenteuer durchzufahren: die Beleuchtung spärlich, am Scheitelpunkt unten nebelig. Ich möchte nicht mit den Fahrrad oder zu Fuss hier durch, aber eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Nach 8 km spuckt er mich wieder aus und ich bin noch 30km von meinem Ziel entfernt. Die Straße verläuft nun nicht mehr an der Küste, sondern im Innenland. Der Wind bläst immer noch stark, und es ist teilweise so nebelig, dass man kaum 20 Meter sieht. Ansonsten schaut es aus wie bei uns auf 2500m. Es gibt keine Bäume mehr, nur Weiden und Felsen.

Ich fahre bei Honningsvag vorbei und komme gegen 18.00 endlich am Nordkapp an. Bevor ich aber ins Nordkapp Haus komme muss ich durch die Maustelle für den Parkplatz. Auch zu dieser Tageszeit beträgt der Preis stolze 15 Euro. Es nieselt leicht und ich verkrieche mich in die Nordkapp Halle. Eigentlich ist es nichts anderes wie ein großes Hotel mit Souvenierladen. Ich besorge mir etwas zu essen, Postkarten, ein paar Souveniers und schreibe sie während ich auf besseres Wetter warte. Und tatsächlich: nach einiger Zeit klart es auf und der Wind lässt nach. Ich schlendere über die Hochfläche und mache einige Fotos zur Erinnerung. Nach 2 Stunden verlasse ich wieder den nördlichsten Punkt und fahre zurück nach Olderfjord, wo mich eine warme Hütte erwartet. Ab jetzt geht es wieder südwärts, nach Hause.