Na super, der Tag beginnt ja perfekt. Es regnet, blitzt und donnert. Das Zelt ist nicht komplett nass, vorausschauend habe ich es unter einem Baum aufgestellt. Wind kommt auf und es schaut nicht nach Besserung aus. Ich will noch einkaufen und in die Innenstadt fahren. Doch mit diesem Wetter wird das nichts. Ich warte bis der Regen nachlässt und packe schnell meine Sachen zusammen. Bis zum Fährhafen sind es nur ein paar Kilometer und ich habe noch 3 Stunden Zeit. Die Besichtigung der Innenstadt lasse ich aus. Es ist nicht angenehm bei Regen durch die Strassen zu gehen.
Während der Fahrt zum Supermarket und dann zum Hafen regnet es immer wieder, die Stimmung ist getrübt. Im Supermarket kaufe ich mir Proviant für die nächsten Tage. Hier in Tallinn sind die Preise sicher günstiger als in Finnland. Der Laden ist sehr groß, man gekommt so gut wie alles. Die Leute sind freundlich, auch wenn ich sie und sie mich nicht verstehen. Meine beiden Koffer sind gerammelt voll, ich habe viel zu viel eingekauft. Die Wechselwäsche hätte ich mir sparen können, auch die normalen Schuhe. Schade daß die Zeit nicht für mehr Besichtigungen und Kontakte fehlt.

Das Reisen ist auch ein Lernprozess, und ich muss noch viel lernen. Gegen 10.30 bin ich beim Hafen und es öffnen auch gleich die Tore. Motorradfahrer werden beforzugt behandelt und so komme ich schnell zur Auffahrrampe. Die Fähre ist noch nicht da, dafür aber bereits mehrere Motorradfahrer. Ich lerne ein Paar aus England kennen, das von England uber Frankreich gefahren ist, um in Helsinki ein paar Tage zu verbringen. Die Frau fliegt dann wieder heim und er zum Nordkapp. Die beiden haben eine KTM und er macht keinen Heel draus, daß er gerne schnell und riskant fährt. Nichts für mich. Ich lerne auch eine Motorrad Fahrerin aus Oulu kennen, die immer alleine unterwegs ist.
5CP2673Die Fähre kommt pünktlich an und wir warten dass sie die Fahrzeuge entladen. Das kann bei dieser Größe etwas dauern, wie ich bemerke. Aber als Erster kommt ein rundlicher Radtourist, mit Zigarette im Mund. Nach geschätzten 70 LKW’s und 200 Autos darf ich endlich in den Bauch des Ungetüms. Es kommt Hektik auf, jeder will der Erste sein! Die Motorräder werden immer bevorzugt behandelt, und so bekomme ich auf der 2. Ladeebene am Rand einen Platz zugewiesen. Das Sichern des Motorrades mit Spanngurte ist keine große Sache, es geht schnell und reibungslos. Wieder stellt sich mir dir die Frage, was lasse ich auf dem Motorrad und was nehme ich mit auf das Deck. Ich nehme nur das wichtigste mit: Camera, elektronische Geräte und Dokumente/Geldtasche. Hoffentlich kann ich irgendwo die Batterien der Kameras aufladen, sicherheitshalber nehme ich die Ladegeräte auch mit. Die Fähre ist groß, 3 Ladeflächen für LKW und Autos und 4 Ebenen für die Passagiere. Das offene Deck ist ganz oben, es sind Stühle, Bänke und Windschutzwände aufgebaut. Ich versuche einige Fotos von Tallinn zu machen, aber sie werden nicht so wie ich es mir vorstelle. Der Hafen ist im Weg und die Stadt zu weit entfernt. Nur im Hintergrund erahne ich die Altstadt. Neben der Fähre ankern auch noch andere große Fähren. Wir legen bald ab und schon gehts Richtung Norden. Das erste Mal auf dieser Reise habe ich wirklich ein Gefühl von Starten, vom loslassen, dass ich nicht einfach umkehren und zurückfahren kann. Es kommt mir vor als ob ich nun auf eine Insel fahre, obwohl Finnland ja immer noch Festland ist, ich fahre nach Norden und kann nicht zurück. Ein Gefühl der Freude und der Trauer kommt auf: Freude, dass ich dieses Abenteuer erleben kann, Trauer, dass ich es alleine erlebe.

Es dauert eine Weile, bis ich mich auf dem Schiff zurechtgefunden habe. Ich möchte eine Kleinigkeit essen, aber es gibt in den gefühlten 30 Restaurants entweder nur fleischiges oder nur fettiges. Ich entscheide mich für einen Veggie Burger und bekomme als Erstes einen Piepser, der mir mitteilt, wann ich den Burger abholen kann. Sehr geschickt, so warten nicht 10 Personen gleichzeitig an der Futterausgabe.
Nach 2-3 Stunden erreichen wir den Hafen von Helsinki. Bereits von Weitem sind die alten Gebäude der Innenstadt zu sehen und direkt vor dem Hafen liegt eine kleine Insel mit Holzhaus und Boot davor.

Das Ausladen geht schnell. Ich fahre durch den Zoll (niemand kontrolliert) und Richtung Innenstadt. Ich beschließe nicht weit zu gehen: es gefällt mir nicht mein Motorrad so ganz unbeaufsichtigt zu lassen. Zelt, Schlafsack, Kleidung usw. sind sehr einfach zu stehen und natürlich stellt sich wieder die Frage: wohin mit dem Zeug… Zumindest den Tankrucksack kann ich wie eine Umhängetasche verwenden.

Leider finde ich kein WLan, und so checke ich schnell die Emails auf der Strasse. Die üblichen Arbeits – Emails, aber auch eines, das mir die nächsten Stunden Kopfschmerzen bereitet: Wasseneinbruch in der Nachbarwohnung in Marling. Scheisse. Ich rufe Brigitte an und bitte sie, einen Hydrauliker zu organisieren und mit dem Mieter einen Termin ausmachen. Es klappt auch, doch die Lust, Helsinki zu entdecken, ist futsch. Ich mach ein paar Fotos und gehe zurück zum Motorrad.
Es geht Richtung Lahti, raus aus der Stadt. Das gestaltet sich nicht so einfach, denn es wie fast überall Stau. Sobald ich Helsinki hinter mir gelassen habe ändert sich die Landschaft: Wälder und Wasser wechseln sich gegenseitig ab, Städte / Ortschaften werden weniger. Nach 100 km bin ich im Nirgendwo, rechts und links nur Wald, Wasser oder hie und da eine Siedlung.
Gegen 16.00 neigt sich der Benzin dem Ende zu und ich sollte nach einer Tankstelle Ausschau halten. Die nächste Siedlung ist 30km entfernt, der vorhandene Benzin reicht noch für 150km. Das geht sich aus. Es kommt auch die Siedlung, doch mehr als Ortsschild, 3 Häuser im Wald und Ortsende-Schild gibt es nicht. Nun gut. In 15 Kilomter ist die nächste Siedlung. Dieses Spiel geht so 2 Stunden, bis mein Motorrad fast ohne Benzin ist und ich auf dem Zahnfleisch. Ich bleibe am Strassenrand stehen und suche im Navi die nächste Tankstelle: 7 km, das muss sich ausgehen. Sonst bleibe ich hängen und muss schauen wie ich zum Benzin komme. Und tatsächlich: nach 7 Kilometer die alles erlösende Tankstelle und sogar noch offen. Ab 18.00 Uhr ist Self Service und ich weiss nicht ob ich mit Bargeld oder Kreditkarte bezahlen kann. Das Tankstellennetz in Finnland ist zwar gut, aber man tut gut,nicht bis zum letzten Drücker zu warten: es könnte sehr gut sein daß man stehen bleibt. Und das mittem im Nirgendwo.
Gegen 20.00 Uhr bin ich müde und suche mir einen Schlafplatz. Überall wo eine Strasse hinführt stehen Häuser (irgendwie logisch), oder es ist einfach nur Wald und ich will nicht reinfahren. Bei einem aufgelassenen Hof werde ich endlich fündig: Bei der Scheune ist der Dachboden offen und ich stelle das Zelt im Dachgeschoss auf. Sogar mit Tisch und Stuhl. Ein wahrer Luxus! Während ich koche bekommen die Mücken auch ihr Abendessen und so krieche ich so schnell wie möglich ins Zelt.